Die Fotoindustrie scheint sich gerade selber abzuschaffen. Zumindest fehlt es den klassischen Kameraherstellern an Innovationen, mit denen sie fotobegeisterte Menschen begeistern. Das beschreibt einer der intimsten Kenner der Fotoszene Heiner Henninges in einem schonungslos offenen Blogbeitrag. Vielmehr beschränken sich die Hersteller darauf, althergebrachtes zu verbessern.
UPDATE: Die Photokina hat vor kurzem eine Pressemeldung zur Photokina 2020 veröffentlich, die Du hier lesen kannst.
Eine zögerliche Evolution statt etwas wirklich Neuem, das man gerne haben möchte. Das merkt man beispielsweise an der guten, alten DSLR-Technik: Diese Kameras mit Spiegel erhalten zunehmend Funktionen, bei denen der Spiegel im Inneren nicht mehr benötigt wird. Heraus kommen Hybrid-Systemkameras, die irgendwo zwischen spiegelloser Kamera und DSLR-Kamera liegen. Gemeint sind unter anderem die erst kürzlich vorgestellten Spitzenkameras Nikon D780 und die Canon EOS-1D X Mark III. Recht kompliziert. Wenig innovativ, scheint mir – eher eine Evolution einer nicht mehr zeitgemäßen Kameratechnik.
Bilder sagen mehr als Worte: Die Photokina-Hallenbelegungen von 2020, 2018, 2016 und 2008
Smartphone-Hersteller sind die Innovationstreiber
Dagegen sind ausgerechnet die Smartphone-Hersteller die Innovationstreiber im Fotografie-Bereich. Ob Apple, Samsung oder Huawei: Mit immer ausgefeilteren Bildverbesserungen, Teamwork aus mehreren Kameras und künstlicher Intelligenz ermöglichen dioe kleinen Geräte, Bilder schnell und gut aufzunehmen. So helfen Smartphone-Hersteller den klassichen Kameraherstzelleren, deren eigenes Grab zu schaufeln. Ist dieses Szenario zu düster? Ich hoffe nicht, denn Vielfalt ist immer besser als eine Monokultur. Ich habe gerne die Wahl zwischen mehreren Werkzeugen, mit denen ich das umsetzen kann, worauf es bei der Fotografie ankommt: Bilder machen. Warum also setzten die klassischen Kameras nicht vermehrt auf die digitale Bildaufbereitung, wie es das Smartphone ganz selbstverständlich macht.
Photokina als Fieberkurve
Betrachtet man aber die Ausgangslage, dann kommen schon düstere Gedanken auf. Den Ist-Zustand der Fotobranche hat Heiner Henninges auf seinem Blog beschrieben (Dringende Lese-Empfehlung). Die Photokina zeigt die Lage der Fotoindustrie wie eine Fieberkurve. In einem Zeitraum von zwei Jahren gibt es nun schon den dritten Leiter dieser Leitmesse der Fotoindustrie – das klingt nach Verzweiflung.
Die Photokina 2019 musste bereits mangels Interesse der Hersteller abgesagt werden – ein schlechter Start des Wechsels von einer zweijährigen zu einer jährlichen Veranstaltung. Die schlechten Nachrichten gehen weiter: Fujifilm, Leica, Nikon und Olympus bleiben der diesjährigen Photokina fern. Immerhin: Die Besucheranzahl der letzten Photokina 2018 ist nicht sonderlich stark eingebrochen: 180.000 Besucher zählte der Veranstalter, 190.000 waren es 2016. Dafür drängten sie sich auf fünf statt den bisherigen sieben Hallen.
MWC bald wichtigste Fotomesse?
Dagegen scheint mir das Interesse an der MWC in Barcelona, dem Mobile World Congress, ungebrochen. Seit 1987 gibt es die Messe rund um den Mobilfunk. Alle nahmhaften Smartphone-Hersteller sind dort vertreten – abgesehen von Apple, die sich dem Messe-Zirkus schon seit vielen Jahren entzogen haben. Die Kamera ist eines der wichtigsten Kriterien der Smartphones. Immerhin gaben 2017 ein viertel aller Käufer eines neuen Smartphones die bessere Kamera als Kaufentscheidung an. Ausgerechnet der Photoindustrieverband hat darüber berichtet (siehe Artikel) und es schein mir so, als ob die klassischen Kamerahersteller wie gelähmt das Treiben der Smartphone-Hersteller betrachten. Der Versuch der Photokina, Smartphone-Hersteller mit an Board zu holen, trug nur kleine Früchte. Zwar war Huawei als einziger reiner Smartphone-Hersteller auf der Photokina 2018 vertreten, allerdings nur mit einem vergleichsweise kleinen Messestand.
Fotobranche im Umbruch
Die erste digitale Revolution in der Fotobranche hat Giganten gestürzt. Kodak, der einstige Marktbeherrscher, ist in die Bedeutungslosigkeit verschwunden. Fuji, der einst so groß werden wollte wie sein einsiges Vorbild Kodak, hat sich radikal Neu erfunden und die Foto-Sparte als Art Liebhaberei weitergeführt – das große Geschäft macht die Firma mittlerweile mit Pflegeprodukten. Dazu gibt es übrigens sehr sehenswerte Dokumentationen zu Kodak und Fujifilm. Jetzt sind wir mitten in der zweiten digitalen Revolution. Die Revoluzer sind nun nicht mehr Digitalkameras, sondern Smartphones. Der Markt für Digitalkameras hat sich in den letzten fünf Jahren halbiert. Gleichzeitig ist einer der höchsten Kaufanreize für ein neues Smartphone dessen Kamera. Es würde mich also nicht wundern, wenn wir uns bald von der Photokina und vielleicht von bekannten Fotomarken verabschieden müssen. Klar ist: Das innovativste Unternehmen hat die besten Chancen, den Wandel mit zu gehen.